Chester Braun hat keine Lust auf eine Beziehung – aber eine besondere Beziehung zu seiner Lust. Er redet und schreibt darüber. Zum Glück – denn dadurch gibt es “Die Aufzeichnungen eines Freiers”.
Mit Freundinnen hat Chester Braun abgeschlossen. Hat nicht funktioniert, ist abgehakt. Drei Beziehungen hatte der Zeichner – wenn man seinem autobiografischen Buch “Ich bezahle für Sex – Die Aufzeichnungen eines Freiers” glauben schenkt. Aber warum sollte Brown lügen, wenn er davon berichtet, wie seine Beziehungen scheiterten.
Chester Brown ist sicher kein Prahlhans. Und seine Frauengeschichten sind eigentlich kein Gesprächsthema unter Männern. Denn es sind keine Eroberungen, sondern Geschäftsbeziehungen. Den meisten anderen Männern wäre es peinlich, dass sie zu Huren gehen, doch Chester führt sogar Buch darüber. Minutiös berichtet er von seinen Treffen mit den Damen – und entschuldigt sich im Vorwort dafür, dass er einige Ereignisse abwandeln musste , weil er die beteiligten Huren schützen möchte. Denn in seinem Heimatland Kanada ist Prostitution nur eingeschränkt legal.
Es sind große Fragen, die Brown in seinem Buch stellt: Können wir ohne Liebe leben? Und kann es Liebe sein, wenn man dafür bezahlt? Am Ende sind seine Antworten ganz einfach, auch wenn sicher nicht für jeden gültig: Man muss seinen eigenen Weg finden. Und der Weg von Chester Brown ist ganz klar: Er zahlt für Sex. Es ist faszinierend, der Argumentation von Chester Brown zum Thema Liebe und Beziehung zu folgen – und kommt häufig nicht umhin, ihm sogar Recht zu geben.
Man mag “Ich zahle für Sex” für Narzissmus in der reinsten Form halten. Doch viel eher ist es ein bebildertes Psychogramm eines Pedanten. So hat Brown in einem Anhang zu fast jeder Szene noch Details notiert, Situationen erklärt, weitere Fakten und Daten zu den Treffen mit den Huren und seinen Freunden genannt. Und wie die schablonenhaften Tagesabläufe wirken auch die reduzierten Zeichnungen: holzschnittartig. Die Damen des Gewerbes zeichnet er ohne Gesicht, sein Selbstporträt gestaltet er dagegen emotionslos – passend zu der Art, wie er über die Liebe spricht. Sein Freund Seth, der in der Story vorkommt, schrieb in den Anmerkungen: Es ist wirklich so, dass Chester im Gegensatz zu anderen Leuten eine sehr begrenzte emotionale Bandbreite hat.”
Sicher kann das Beziehungsmodell von Chester Brown nicht als Blaupause dienen. Aber sein intimes Buch klärt nicht nur auf, sondern räumt mit leichter Hand mit ein paar gesellschaftlichen Vorurteilen auf – und das ist ja auch schon mal was.
“Ich bezahle für Sex – Die Aufzeichnungen eines Freiers”
von Chester Brown
Walde + Graf
22,95 Euro