Während des Dschungelcamps ist es eine gute Idee, über Kakerlaken zu sprechen. Dann aber auch bitte über die bekannteste von allen: die Schabe aus Kafkas “Die Verwandlung”. Eine kongeniale Umsetzung als Graphic Novel macht wieder Lust auf den Klassiker.
Franz Kafka wurde keine 40 Jahre alt und erlebte seinen Weltruhm nicht mehr. Kafka starb 1917 an den Folgen einer Tuberkulose-Erkrankung. Seine Schriften wurden erst nach seinem Tod veröffentlicht, darunter auch “Die Verwandlung”.
Kafka hatte damals keinen Schimmer davon, dass sich irgendwelche Leute einmal in einem Dschungelcamp als Kakerlake verkleiden oder sich mit Kakerlaken übergießen lassen müssen – übrigens gibt es in Australien rund 450 verschiedene Arten dieser Schaben. Doch die bekannteste der Welt kommt aus Deutschland und ist nicht die Namensgeberin des Hits “La Cucaracha”, sondern Kafkas Schabe.
“Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt.” Was für ein Start in die absurde Geschichte. Kein Wunder, dass “Die Verwandlung” im Wettbewerb “Der erste schöne Satz” der Stiftung Lesen den zweiten Platz belegte. Die Geschichte von Gregor Samsa und seiner Verwandlung zur Schabe ist Pflichtlektüre im Deutschunterricht. Und das aus gutem Grund.
Die Novelle funktioniert auf verschiedenen Ebenen. Zum einen ist da der Stil der Erzählung. Nüchtern und schnörkellos erzählt Kafka das Unfassbare. Er hält sich nicht lange damit auf, die Anwesenheit der Kakerlake zu erklären. Auch die spießige Verwandtschaft ergibt sich schnell ihrem Schicksal. Und gerade durch die Schabe offenbart “Die Verwandlung” einen unverstellten Blick auf die gesellschaftlichen Zwänge in der Weimarer Republik.
Über Kafkas Werk wurde alles gesagt, jede Zeile wurde interpretiert. Seine Bücher wurden verfilmt und auf allen Theatern der Welt aufgeführt. Kann man seiner Novelle noch etwas hinzufügen? Und ob, man kann. Durch die Illustrationen von Eric Corbeyran und Richard Horne erhält “Die Verwandlung” noch eine weitere Ebene hinzu. Die gezeichneten Momentaufnahmen machen den Schrecken, die Angst und die Verzweiflung der agieren Personen noch deutlicher. Kein einziges Panel ist überflüssig, die Künstler halten sich eng an die Vorlage der bewegenden Story. Lediglich bei dem Ungeziefer haben sie sich auf eine Schabe festgelegt, während Kafka nicht ganz so klar bei der genauen Einordnung der Spezies war. Aber diese künstlerische Freiheit ist nicht störend, im Gegenteil. In unserer Zeit steht die Kakerlake halt sinnbildlich für das eklige Insekt an sich. Wer will schon eine Schabe als Sohn oder als Bruder haben?
“Die Verwandlung” von Franz Kafka, Eric Corbeyran und Richard Horne erschien im Knesebeck-Verlag und kostet 19,95 Euro