“Steam Noir” ist Abenteuerroman und Science-Fiction in einem Buch. Und man erfährt ganz nebenbei: Dampfmaschinen sind moderner als man denkt.

Es ist kein guter Tag für Heinrich Lerchenwald. Gerade, als der Bizarromant des Januskoogener Leonardsbundes auf seinem Haudach ein seltsames Experiment durchführt, stürmt eine Einsatztruppe, die aus dem Film “Brazil” stammen könnte, seine Wohnung. Die Männer suchen ein Kupferherz und vermuten es bei dem Junggesellen. Als sie unverrichteter Dinge wieder abziehen, lassen sie Lerchenwald fast so ratlos zurück, wie den Leser von “Steam Noir – Das Kupferherz“. Was sind das für Leute? Und was soll das alles überhaupt?

Geschickt spielt der Comic mit Sehgewohnheiten: Auf dem ersten Blick sieht alles ganz normal und bekannt aus. Doch halt, immer ist irgendetwas anders, wenn auch manchmal nur eine Kleinigkeit. Ob Fortbewegungsmittel, Waffen oder Kleidung – kaum etwas ist so, wie es scheint. Bereits das erste Bild des neuen Meisterwerks von Felix Mertikat und Benjamin Schreuder, den Schöpfern des wunderbaren “Jakob“, ist eine Überraschung: Eine Landmasse, es könnte eine Vulkan-Insel im Meer sein – und ganz passend heißt der seltsame Ort Landsberg. Erst bei genauerem Hinsehen erkennt man die Verbindungenstege zu kleineren Nachbarinseln. Plötzlich, wie bei einer Illusion, die sich vor den Augen verändert, sieht es aus wie das Raumschiff Enterprise. Und tatsächlich, die Insel ist eine Art Planet, mit Ländern, Städten – und eben dem Hausdach, auf dem Heinrich Lerchenwald seine Experimente durchführt.

Leseprobe von Steam Noir 1Auch nur einen weiteren Halbsatz über die Story zu verlieren, wäre ein Verbrechen, denn sie steckt voller Überraschungen und schönen Wendungen. Das bizarre Figurenkabinett ist aber nur die halbe Miete. Es ist das Setting, dass vom ersten bis zum letzten Bild besticht. Der Titel “Steam Noir” kommt nicht von ungefähr. Mit dieser Graphic Novel könnte es gelingen, dass das Genre Steampunk endlich einer größeren Leserschaft bekannt gemacht wird. Steampunk ist laut Wikipedia Retro-Fiction, eine alternative Zukunftsvision mit den Mitteln der Vergangenheit: Überall dort, wo eigentlich moderne Technik eingesetzt werden würde, stecken Dampfmaschinen und Uhrwerke drin.

Wenn es etwas an der Geschichte zu bemängeln gibt, dann höchstens, dass sie manchmal ein wenig an ein Rollenspiel erinnert. Aber auch das kommt nicht von ungefähr: Mertikat hatte zuvor ein Spiel entwickelt und viele dessen Elemente auch für den Comic übernommen.

Wer als Kind Jules Verne verschlungen hat, wird sich in “Steam Noir” sofort zuhause fühlen: Das fantastische Abenteuer ist ganz einfach großes Kopfkino zum Durchblättern.

“Steam Noir – Das Kupferherz 1″
Felix Mertikat und Benjamin Schreuder
Cross Cult
16,80 Euro

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