„Das letzte Gefecht“ von Stephen King hat zwar schon weit über 30 Jahre auf dem Buckel, dennoch wirkt die grandiose Geschichte um Auslöschung und Erlösung kein bisschen altersschwach. Die Comic-Adaption des Bestsellers ist so frisch wie noch warmes Blut.

Stephen King und ich, wir waren einmal so etwas wie ein Paar. Es ist bestimmt 25 Jahre her, wenn nicht sogar länger. Inzwischen habe ich mich zwar von ihm entfernt, aber damals sah man mich niemals ohne eines seiner Bücher. Ich habe sie alle gelesen. Sogar, wenn King nicht King sondern Bachman war, konnte ich nicht von ihm lassen. Auch wenn er viele sehr gute Romane mit überaus spannenden Geschichten geschrieben hat – keines seiner Bücher hat mich mehr gefesselt und mehr bewegt, als „Das letzte Gefecht“. Die Darstellung einer Pandemie, lange vor Vogelgrippe und SARS, war so überzeugend, dass ich fast nur noch mit Mundschutz vor die Tür gegangen wäre.

Schon der Anfang ist das Ende, das Ende der Menschheit, so wie wir sie kennen. Eine tödliche Seuche wird erst in militärischen Versuchslabors entwickelt, nur um dann auszubrechen und ihren „Siegeszug“ durch das ganze Land anzutreten. Fast alle Menschen sterben. Diejenigen, die von „Captain Trips“ nicht dahingerafft werden, teilen sich in zwei Lager auf. Während sich die Guten um einen Taubstummen jungen Mann scharen, um Menschlichkeit und Zivilisation nicht komplett untergehen zu lassen, versammeln sich die Bösen unter der Führung von Flagg, einem finsteren Mann, der aus der Hölle gekommen sein muss…

King gelingt es, mit „The Stand“ (so der Originaltitel) ein Bild vom Ende der Gesellschaft aufzuzeichnen. Gleichzeitig liefert er nebenbei einen tiefen Blick in die amerikanische Seele. Jede Figur seines Romans ist glaubwürdig und die Beweggründe jedes einzelnen Nachvollziehbar. Er hauchte den handelnden Personen regelrecht Leben ein. Ideale Vorraussetzungen, um noch einen Schritt weiter zu gehen, und aus der schon perfekten Vorlage ein Comic der Extraklasse zu machen. Dafür hat Roberto Aguirre-Sacasa das Original dezent verändert, die Dialoge angepasst und geschickt für eine Serie aufgearbeitet. Besonderes Lob gebührt allerdings den Zeichnern Mike Perkins und Laura Martin. Sie sind nicht dem Trend der austauschbaren Computerzeichnung verfallen, die man immer häufiger in den billigen Superheldenheftchen sieht. Sie haben unverwechselbare Charaktere geschaffen, die Sympathie oder Abscheu, Mitgefühl oder Angst hervorrufen. Teilweise sind die Bilder sogar ein wenig ekelig. Nämlich dann, wenn Captain Trips sein Werk getan hat, der Schleim aus Mund und Nase den ganzen Körper besudelt und fast aus den Panels tropft.

Es zeigt sich wieder einmal, dass ein Comic in einigen Fällen einem Film deutlich überlegen sein kann: Die Verfilmung von „The Stand“ aus dem Jahr 1994, immerhin mit Gary Sinise, Molly Ringwald und Rob Lowe in den Hauptrollen, kann man getrost als überflüssig bezeichnen.

Der erste Teil von „The Stand“ macht Lust auf mehr, ich kann kaum erwarten, den zweiten Teil in den Händen zu halten. Und für mich ist es eine königliche Wiederentdeckung, denn es war das erste Mal seit 20 Jahren, dass ich wieder einen Stephen King gelesen habe. Vielleicht sollte ich mal schauen, was ich vom Gruselmeister alles so verpasst habe.

The Stand – Das letzte Gefecht – Band 1: Captain Trips

Roberto Aguirre-Sacasa, Mike Perkins und Laura Martin
(Leseprobe)
Marvel Deutschland
Panini Comics
16,95 Euro

Schreibe einen Kommentar